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Schlecht reden, schlecht für jeden

Schlecht über andere zu reden ist ein weit verbreitetes Phänomen. Warum neigen wir überhaupt dazu - und wieso sollten wir es unbedingt vermeiden?

von Yunus Mairhofer

Schlechtes Reden über andere ist eine weit verbreitete menschliche Schwäche. Oft geschieht es unbewusst oder aus einem Gefühl der Notwendigkeit heraus. Sei es, um sich selbst aufzuwerten, um in bzw. mit einer Gruppe besser anzukommen oder oft einfach um Frust abzubauen. Warum das so ist, dafür liefert heute die Psychologie verschiedene Erklärungen. Diese hängen mit dem eigenen Selbstwertgefühl, sozialen Dynamiken oder dem Bedürfnis nach Selbstrechtfertigung zusammen. Die Religion des Islam hat für dieses Verhalten ganz klare Worte – und gibt moralische Impulse, wie Menschen ihre Zunge beherrschen.

Das eigene Selbstwertgefühl als treibender Faktor

Ein häufiger Grund für abwertende Äußerungen über andere liegt in einem instabilen Selbstwertgefühl. Menschen, die sich innerlich unsicher oder ungenügend fühlen, kompensieren diese Unsicherheit häufig, indem sie Fehler oder Schwächen anderer hervorheben. In der Psychologie spricht man von einer Abwehrmechanismus-Strategie oder von Projektion. Dabei werden eigene unbewältigte Schwächen auf andere übertragen, um sich selbst nicht mit ihnen auseinandersetzen zu müssen. Zum Beispiel eine Person, die Schwierigkeiten im eigenen Berufsleben hat und sich deshalb über einen Kollegen lustig macht, der vermeintlich inkompetent sei. Diese Art der Selbstaufwertung ist jedoch trügerisch, da sie die eigentlichen inneren Unsicherheiten nicht löst, sondern nur für einen kurzen Moment überdeckt.

Der soziale Druck und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit

Nicht selten entsteht negatives Reden über andere aus Gruppendynamiken heraus. In vielen sozialen Kontexten – sei es schon in der Schule oder im Freundeskreis oder später am Arbeitsplatz – gehört es zum alltäglichen Gespräch, über andere zu urteilen. Wer sich in einer solchen Umgebung nicht beteiligt, riskiert, selbst ausgegrenzt zu werden. Besonders in informellen Gesprächsrunden – beim sogenannten „Tratsch“ – merkt man schnell, wie stark der soziale Druck sein kann. Jemand, der eigentlich nicht schlecht über die Betroffenen reden möchte, könnte sich trotzdem genötigt fühlen, sich den anderen anzupassen, um nicht selbst ins Visier zu geraten.

Mangelnde Empathie und der Verlust von Mitgefühl

Ein weiterer Grund für das Schlechtreden über andere ist mangelnde Empathie. Menschen, die sich wenig in andere hineinversetzen oder sich für moralisch überlegen halten, neigen eher dazu, über andere zu urteilen. Dies geschieht oft unbewusst, indem man die Lebensrealität anderer nicht nachvollziehen kann oder sich ihrer Herausforderungen nicht bewusst ist. Empathie erfordert bewusstes Zuhören, Verständnis und die Bereitschaft, andere nicht vorschnell zu verurteilen.

Warum sollten wir das schlecht Reden vermeiden?

Üble Nachrede ist in der Religion nicht nur einfach eine moralische Verfehlung, sondern wird gerade deshalb als solche betrachtet, weil sie einen tiefen Schaden anrichtet – sowohl an der eigenen Persönlichkeit als auch an der Gesellschaft. Wer schlecht über andere redet, stellt sich wie gesagt oft selbst in ein besseres Licht, indem er oder sie die Fehler anderer hervorhebt. Man vergisst dabei einerseits seine eigenen Schwächen und blendet andererseits die Auswirkungen der eigenen Worte auf das soziale Gefüge aus. Das Heilige Buch der Muslime warnt davor eindringlich: „O die ihr glaubt! Vermeidet häufigen Argwohn, denn mancher Argwohn ist Sünde. Und spioniert nicht und redet nicht schlecht übereinander. Würde wohl einer von euch gerne das Fleisch seines toten Bruders essen? Sicherlich würdet ihr es verabscheuen. “1

Diese Worte verdeutlichen, dass der Schaden nicht nur ein persönlicher, sondern ein kollektiver ist. Wer sich in übler Nachrede verliert, macht sich blind für die Verantwortung, die er für das gesellschaftliche Miteinander trägt. Worte können Vertrauen zerstören, Misstrauen säen und Gemeinschaften buchstäblich auffressen. In dem Moment, in dem man sich auf das Schlechtreden einlässt, stellt man seine eigene Empörung, seinen eigenen Ärger oder auch Stolz über das Wohl der Gesellschaft. Die Kontrolle der eigenen Zunge ist somit nicht nur eine persönliche Tugend, sondern eine soziale Verantwortung – denn in dem Maß, in dem man andere herabsetzt, untergräbt man auch den Zusammenhalt der Gemeinschaft.

Der islamische Prophet, Muhammad (saw), erklärte ebenfalls die Schwere dieses Fehlverhaltens:

»Wisst ihr, was üble Nachrede ist?« Die Gefährten sagten: »Allah und Sein Gesandter wissen es besser.« Er sagte: »Es ist, über deinen Bruder etwas zu sagen, was er nicht mag.“ Jemand fragte: „Und wenn es wahr ist, was ich über ihn sage?« Der Prophet (saw) antwortete: »Wenn es wahr ist, dann hast du üble Nachrede begangen. Wenn es aber nicht wahr ist, dann hast du ihn verleumdet.«2 

Mit Glauben lernen, die Zunge zu beherrschen

Der Islam stellt also klar, dass bereits das Verbreiten wahrer negativer Informationen über eine Person als üble Nachrede gilt. Noch schlimmer ist die Verbreitung falscher Tatsachen, die unter die Kategorie der Verleumdung fällt – heute würde man vielleicht sagen fake news.

Die jüngste der großen Weltreligionen bietet zudem mehrere praktische Anleitungen, um bewusst mit der eigenen Sprache umzugehen und üble Nachrede zu vermeiden. Zunächst fordert der Heilige Qur’an die Gläubigen immer wieder auf, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Bevor man über jemanden spricht, sollte man sich fragen: „Würde ich wollen, dass man so über mich redet?“ Der Prophet Muhammad (saw) dazu: „Keiner von euch glaubt wirklich, bis er für seinen Bruder liebt, was er für sich selbst liebt.“

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Fokus auf die eigenen Fehler. Der Verheißene Messias des Islam, Hadhrat Mirza Ghulam Ahmad (as), betonte: »Anstatt die Fehler anderer zu suchen, sollte man seine eigene Seele reinigen. Ein weiser Mensch ist der, der seine eigenen Schwächen erkennt und sich um ihre Beseitigung bemüht.«4 Wer sich mehr mit seinen eigenen Schwächen beschäftigt, hat weniger Zeit und Neigung, sich mit den Fehlern anderer zu befassen.

Eine weitere Methode, üble Nachrede zu vermeiden, ist, bewusst positive Dinge über andere zu sagen. Der Prophet (saw) selbst war darin ein lebendiges Beispiel und erinnerte zugleich: „Wer an Allah und den Jüngsten Tag glaubt, der soll Gutes reden oder schweigen.“5 Der Qur’an beschreibt die wahren Gläubigen als ›diejenigen, die sich von nutzlosem Gerede fernhalten‹.6

Wer sich darin übt, nicht sofort auf alles zu reagieren, sondern erst nachzudenken, schützt sich und andere vor unüberlegten Worten. Üble Nachrede und Verleumdung sind also keineswegs Kavaliersdelikte, sondern bewusste Handlungen. Selbstreflexion, Stille, Fokus auf die eigenen Fehler und das Fördern positiver Worte sind bewährte Wege, um seine Sprache zu läutern, so Gott will.

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Quellen:
1 Sura 49:13
2 Sahih Muslim, Hadith-Nr. 2589
3 Sahih al-Bukhari, Hadith-Nr. 13; Sahih Muslim, Hadith-Nr. 45
4 Malfuzat, Band 1, S. 136
5 Sahih al-Bukhari, Hadith-Nr. 6018
6 Hl Qur’an Sure 23:3

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